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IDOMENEO

  • Dramma per musica in drei Akten
  • von Wolfgang Amadeus Mozart
  • Text von Giambattista Varesco
  • in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

„Hier bin ich, das Opfer zu bringen, den Schwur zu halten.”
Idamante

Als Idomeneo am Ende des Krieges aus dem zerstörten Troja nach Kreta heimkehrt, gerät er vor der Küste in einen Sturm. Aus Angst um sein Leben verspricht er dem Meeresgott, wenn er ihn sicher an Land gelangen ließe, ihm den ersten Menschen zu opfern, dem er auf seiner Rückkehr begegnet. Doch wird ihm die grausame Tragweite seines Versprechens erst offenbar, als ihm bei seiner Ankunft an Land ausgerechnet sein eigener Sohn Idamante in die Arme läuft.  

Der Sturm, in den Idomeneo gerät, tobt nicht nur auf See, sondern auch in Mozarts Musik und liefert einen tiefen Einblick in das Gefühlschaos der Protagonist*innen, die Suchende sind in einer zerrüttet-zerbrochenen Weltordnung: Zwischen den eigenen Moralvorstellungen, Liebe, sowie Verantwortung und Pflichterfüllung wankend, sind sie zugleich gezeichnet von den traumatisierenden Erlebnissen des Krieges, womit die 1781 in München uraufgeführte Oper Themen und Fragen behandelt, die bis heute eine geradezu erschreckende Aktualität besitzen.

Trailer


Musikalische Leitung Florian Csizmadia
Inszenierung Wolfgang Berthold
Bühne & Kostüme Stefan Rieckhoff
Licht Kirsten Heitmann
Chor Csaba Grünfelder, Jörg Pitschmann
Dramaturgie Stephanie Langenberg
Musikalische Assistenz und Nachdirigat David Behnke
Musikalische Assistenz David Wishart, David Grant
Regieassistenz & Abendspielleitung Paula Brune
Inspizienz Lisa Henningsohn

Mit:


Idomeneo Bassem Alkhouri
Idamante Pihla Terttunen
Ilia Franziska Ringe
Elettra Antje Bornemeier
Arbace Semjon Bulinsky
Oberpriester Bernd Roth
Die Stimme Jovan Koščica

und:  Opernchor des Theaters Vorpommern, Philharmonisches Orchester Vorpommern

DREI FRAGEN AN WOLFGANG BERTHOLD
WOVON HANDELT „IDOMENEO“ IN DEINEN AUGEN? 
Mit extrem pessimistischem Blick schaut der gerade einmal 25-jährige Mozart auf eine vom Krieg traumatisierte und verhärtete Gesellschaft, in der Religion und Ideologie mehr zählen als Mitgefühl, in der ein Vater seinen Sohn opfern möchte, nur aufgrund eines Gelöbnisses, dem er sich verpflichtet fühlt – und in der sogar der Aufbegehrungswille dieses Sohnes vor eben diesem System kapituliert. Idomeneo zeigt Fanatismus in vielfältiger Ausprägung und entlarvt Religion als menschengemachtes Unterdrückungssystem, das letztlich nur der freie Mensch selbst überwinden kann. Dem gegenüber stellt er die Hoffnung einer grenzenignorierenden Liebe, einer Romeo-und-Julia-gleichen Liebe zwischen den Kindern der verfeindeten Parteien, die gleichzeitig immer wieder Gefangene ihrer eigenen Prägungen und selbstauferlegten Ehr- und Treuevorstellungen sind. 

EIN SEHR DÜSTERES STÜCK ALSO? 
Ja. Es ist aber ein Stück, das, wie immer bei Mozart, auch in seinen verzweifeltsten Momenten durch eine berückende Musik den Glauben an eine bessere Welt, eine bessere Menschheit in sich trägt. Und Mozarts Blick auf den eigentlich göttergeprägten Mythos ist hier ein ganz aufgeklärter: Nur die Menschen selbst können sich, ganz im Sinne Kants, aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit befreien – die Hoffnung liegt auf der jungen Generation. 

UND JETZT MAL AUF DEN PUNKT GEBRACHT: „IDOMENEO“ IST …
… ein Werk, mit dem sich Mozart selbst von seinem übermächtigen Vater zu emanzipieren versucht, mit dem er aber auch die Komplexität der Vater-Sohn-Beziehung (ebenso wie die Komplexität aller zwischenmenschlichen Beziehungen) sensibel ausleuchtet. 

Pressestimmen

... außergewöhnliche und gelungene Inszenierung ...

(…) Auf sich nehmen sollten Opernfreunde diese Mühe angesichts einer außergewöhnlichen und gelungenen Inszenierung auf jeden Fall. (…) 

Idomeneo, der totgesagte kretische König, mit kraftvoller Stimme gesungen von Bassem Alkhouri, wird bei seiner Rückkehr vom trojanischen Kriegsschauplatz fast vom Meer verschlungen. Um zu überleben, schwört er dem Meeresgott Neptun, ihm den ersten Menschen zu opfern, dem er an Land begegnet. Tragischerweise ist das sein Sohn Idamante, gesungen von Pihla Terttunen voller Glut und Intensität. Da er gelobt hat, ihn zu töten, meint er, weist er ihn von sich. Das aber verletzt Idamante. Es stürzt ihn noch tiefer in die Verzweiflung, zumal er noch weitere Beziehungsprobleme hat. Ist doch Elettra, der Antje Bornemeier ihre beeindruckende Stimme verlieh, Tochter des ermordeten Königs Agamemnon, in ihn verliebt und er ihr als Gatte versprochen. Idamante aber betet Ilia (Franziska Ringe) an, die von den Kretern gefangene Königstochter von Troja. Sie liebt ihn ebenfalls, will es aber nicht eingestehen. Das Schauspiel spitzt sich dramatisch zu und das Volk reagiert entsetzt, als es erfährt, dass Idamante sterben muss. Der ist bereit sich zu opfern. Aber im letzten Moment stellt sich Ilia schützend vor ihn und bietet sich an seiner Stelle an. Nun erkennt Idomeneo den Wahnsinn des selbst auferlegten Schwures. Elettra aber begreift, dass sie den Geliebten nun endgültig an Ilia verloren hat und schwört Rache. Idomeneo verkündet seine Abdankung und die nachfolge seines Sohnes auf dem Thron, dessen Frau Ilia werden soll. Von allen verlassen, blickt das junge Königspaar einer ungewissen Zukunft entgegen. Die Stralsunder Inszenierung verzichtet damit auf ein Happ End à la Mozart. 

Widerstanden haben Regisseur Wolfgang Berthold und Bühnen- und Kostümbildner Stefan Rieckhoff auch der Versuchung, das Drama in opulente Bilder zu übersetzen. Der Verzicht auf Redundanz zahlt sich in einer verstärkten Wirkung von Musik, Gesang und Spiel aus. (…) 

Als sich nach diesem spektakulären Finale der Vorhang senkt, bricht das Publikum minutenlang in Bravorufe und Beifall aus. Es quittiert damit die herausragenden Leistungen des gesamten Ensembles.

Werner Geske - Ostsee Zeitung

... eine starke Aufführung ...

(…) Und so stellte sich auch in Stralsund das ein, was man diesem Mozart unbedingt zutraut: die Tatsache, dass eine hier besonders karge Handlungsumwelt mit ungemein souveräner und überlegt eingesetzter musikalischer Gestsaltungswucht in ein Feld dramatischer Lebendigkeit und konträrster menschlicher Emotionen zu verwandeln ist. Das wiederum ist dem Regieteam mit dem fantasievoll genutzten Handlungsumfeld am, auf und um den zentralen „großer Tisch“ überzeugend gelungen. Ein Mangel an äußeren Aktionen wird da gar nicht als solcher empfunden. Er wird mit geschickter, innere wie äußere Beweglichkeit choreographierender Personenführung  recht dicht und konsequent kompensiert. Mehr braucht es nicht, da Mozarts Musik dank ihrer geradezu körperlich empfindbaren Intensität und Faszinationskraft imstande ist, reale wie innere „Räume“ zu füllen.

Über diese Musik – seit Otto Jahns schon legendärem „Mozart“ (1856-1859)  als außerordentlich bedeutsam geschätzt – soll hier nicht gesprochen werden. Über ihre bemerkenswert souveräne und überzeugende Präsentation aber schon! Solistenensemble, Chor und Philharmonisches Orchester Vorpommern musizierten sich mit einer wahrlich glanzvollen Premiere (16. 3.) in die Herzen eines begeisterten Publikums. Keine Abstriche an den vokalsolistischen Leistungen, ein wieder prächtig disponierter Chor (Csaba Grünfelder, Jörg Pitschmann) und ein Orchester, dem man die Vertrautheit mit historischer Aufführungspraxis in jedem Ton anmerkt;  GMD Dr. Florian Csizmadia kennt sich da ziemlich gut aus! Letztlich war das auch den Solisten anzumerken. Etwa in der rhetorischen wie sängerischen Gestaltung der Rezitative, bei denen das Verhältnis von Balance wie Setzung von Prioritäten unter Wahrung größtmöglicher Textverständlichkeit zu beachten war. Und das als secco wie accompagnato. Vom Verdeutlichen der so wichtigen Affekte und ihrer spezifisch komponierten „Vokabeln“ in den von heftigsten Emotionen geradezu überquellenden Arien ganz zu schweigen! 

Für alles das möchte man das gesamte Solistenensemble pauschal  und rechtens „in Haftung“ nehmen. Quantitativ gibt es natürlich unterschiedliche Anteile, qualitativ eher nicht. Stimmtechnisch souverän gehandhabte Stimmen, voller Glanz, Kraft und Klarheit, aber auch von betörender Intimität, glühender Intensität und kantablem Schmelz. Dazu bemerkenswerte Ausdruckskraft, eine denkbar breite Palette einfühlsam ausgesungener Affektbereiche zwischen beklagenswerter Trostlosigkeit, Todessehnsucht, leidenschaftlichem Liebesbekunden und erregtem Racheschwur. Jeder Protagonist eine Persönlichkeit, musikalisch prägnant gezeichnet, rhetorisch markant – und alles das - vereint im Ensemble - von unschlagbarer, geradezu suggestiver Wirkungsmächtigkeit.

Die ist natürlich schon im Einzelgesang offensichtlich: bei Bassem Alkhouri, der die wohl tragischste, wahrlich aufreibende und ungemein anspruchvolle Rolle des Idomeneo beeindruckend beherrschte, bei Idamante, von Sängerin (!) Pihla Terttunen ebenso menschlich und sängerisch fesselnd nahegebracht wie Franziska Ringe in ihrer Rolle als trojanische Gefangene und innig Liebende Ilia. Von anderer Gefühlslage bestimmt ist Antje Bornemeier, eine stimmgewaltige Elettra, resolut, rachsüchtig und dennoch tragische Figur. Semjon Bulinsky verlieh seine wunderbar schlanke tenorale Stimme dem Arbace, einem Vertrauten Idomeneos. Bernd Roth als Oberpriester (aus dem Chor) und Jovan Koščia (Stimme) komplettierten das Ensemble. Der Chor – oben Gesagtes sei ergänzt – beeindruckte, wie immer, mit enormer Präsenz, Prägnanz und Klangwucht (wenn nötig), das Orchester verdiente sich unter dem hörbar Mozart-kompetenen Dirigat Florian Csizmadias jede Menge Lob für ein ausgsprochen bewegliches, sensibles  und elastisches Spiel. „Begleitung“ war hier nie angesagt. Das Orchester erwies sich als Mitgestalter auf Augenhöhe, und dies mit pulsierender Stringenz, „sprechendem“, dynmisch außerordentlich differenziertem Spiel. Eine mitnehmende Ohrenweide, und dann doch mehr, nämlich  als Partner und Mitgestalter in einem Geschehen, das mitreißender, dramatischer, berührender kaum gedacht werden kann. Und dieser Komponist war gerade mal 25 Jahre alt...       

Ekkehard Ochs - IOCO